Horgel's heiterer Hilferuf

Freitag, Juli 21, 2006

horgel - noch mehr station! ("Die Uniklinik" oder "Der Frankenberger Patient" Teil 3)

das mittagessen ist rum.

*rülps*

die belegschaft unseres zimmers liegt feist und satt auf den betten, den bauch haltend - zwischendurch hört man ein leidvolles stöhnen (wir sind ja hier im krankenhaus!).

mir gegenüber liegt ein junger mann, höchstens 60, 70 jahre alt. er spricht nordhessischen dialekt. man muss das mal gehört haben, echt interessant! und solche menschen haben, man will es ihnen nicht verübeln, manchmal die angewohnheit vor dem mittagsschläfchen die zähne rauszunehmen. nimmt man den dialekt hinzu, ergibt das, gelinde gesagt, ein unverständliches genuschel ...

"bäscht du lang scho hie?" (bist du schon lange hier?)

ich hab kein wort verstanden. wirklich nicht. die sprachmelodie ja, aber nach den erfahrungen von heute morgen (die studentinnen, ihr erinnert euch?), bin ich vorsichtig geworden und murmele etwas träge weil satt:

"ja, ich hatte eine angiographie. war schön. und was fehlt ihnen?"

er: "dunnerschdog."

ich: "bitte?"

er: "dunnerschdog. ich schein scheit dunnerschdog hie ..." (ich bin seit donnerstag hier)

ich: "aha. ja, das ist so ne sache mit der angiographie, da soll man nicht mit scherzen ..."

wir verstehen uns prächtig (abends haben wir übrigens mit pfefferminztee in schnabeltassen bruderschaft getrunken ...).


nachdem mir vier ärzte unterschiedliche auskünfte gegeben haben, ist der nachmittag für mich gegessen. es ist faszinierend, dass das bundesdeutsche gesundheitssystem trotzdem irgendwie funktioniert. es wird mir immer klarer, warum die medizinische sprache auf der lateinischen beruht. es scheint die einzige zu sein, in der sich mediziner auch untereinander unmissverständlich ausdrücken können - vorrausgesetzt, sie sind nicht schwerhörig, sprechen keinen dialekt und haben sich vor dem gespräch nicht die zähne aus dem mund genommen.


"sooo herr f. wir haben hier was für sie ..."

ich zwinge meine augenlider auf und blinzle müde.
der krankenpflegeschüler kommt mit einer infusionsflasche, dem dazugehörigen schlauchgewirr und einem tragbaren maschinchen an mein bett.
er klingt so, als meint er, er mache mir eine große freude damit. naja, ich will mal nicht so sein, er kann ja nix dafür. also werde ich ihm den gefallen tun und mich freuen:

"oooh, geil, eine infusion! das ist ja klasse! vielen vielen dank! und ich bin damit sogar mobil? mensch, was will man mehr!"

der junge mann stöpselt, fingert und macht, und blitzschnell nach einer halben stunde ist das gerät mitsamt flasche und schlauchsystem an meinen arm angeschlossen.
schüler stefan drückt den schalter. nix.
er drückt nochmal. nix.
stefan drückt nervös ein weiteres mal. nix.
er klickert den schalter an und aus. immer noch nix.

er denkt laut: "ich fürchte, da ist der akku alle ..."

horgel denkt laut: "na, da wird sich doch irgendwo noch ein patient finden lassen, der seine herz-lungen-maschine grad nicht braucht und ein entsprechendes stromversorgungsgerät zur verfügung stellt?"

stefan macht sich jetzt erstmal auf die suche. "bin gleich wieder da ...!" weg ist er.

ich liege also da und betrachte skeptisch den zugang in meiner armbeuge. könnte fester sein. der löst sich doch, wenn ich nachts schlafe und mich mal drehe! ob ich mal nach tesafilm klingele?
naja, stefan kommt ja gleich wieder, dann kann ich ihn fragen.

die zeit vergeht.
ich habe besucher kommen und gehen sehen. sogar ein arzt ist zwischenzeitlich mal ins zimmer gehuscht.
auf meine bitte, er möge mal kurz gucken wirft er mir beim rausgehen nur schnell ein "da kommt gleich jemand ..." zu.

dass es draußen dunkel wird, beunruhigt mich nicht weiter. ich mein, es ist winter, da kanns um halb fünf schon mal dunkel werden.
wieso fällt mir ausgerechnet jetzt die schöpfungsgeschichte ein? achso, ja: "es ward abend und es ward morgen - ein neuer tag ..."

die tür geht auf, und im übertragenen sinne auch die sonne: stefaaan! hach, ich könnte ihn drücken, ihn herzen, ich bin einfach nur dankbar, dass er wieder da ist!

"gott, danke für stefan, danke dass er wieder da ist und ich bitte dich, segne ihn ..."

"herr f., das mit dem akku wird nix. wir müssen das gerät hier an die steckdose anschließen. mit mobil ist mau."

"... ihn bitte nicht sondern schick ihn in die wüste, den blöden sack!"

mein hals wird dicker, ich könnte schreien! schon wieder nur rumliegen und warten bis die flasche durchgelaufen ist!"

aber ich bleibe wie immer höflich und ruhig und verabschiede ihn mit einem "danke für die mühe und dass du dich so "beeilt" hast ..." *grrrrr*


das abendessen ist durch, die flasche leider noch nicht. mir ist langweilig. ich werde jetzt "personal-schicken" spielen. ich mein, wozu gibts diese roten knöpfchen?

hehe, ich seh sie schon ins zimmer stürmen und "wer hat geklingelt?" rufen, abgehetzt und um gnade winselnd. ich lese ihre gedanken, spüre ihre hoffnung, dass es kein notfall ist ... hihi ...

der knopf befindet sich in meinem nachtspind - offensichtlich ein seeehr modernes krankenhaus.

*drück*

den lautsprecher in meinem nachttisch hatte ich erst gar nicht bemerkt, ich dachte, das sei ein radion oder so. plötzlich höre ich aus eben diesem lautsprecher ein knacksen und rauschen:

*chrzzztschhhkrrzzz*

und dann eine freundliche stimme

"was wünschen sie bitte?"

ich bin so verdattert, fühle mich durch diese metallische stimme an das leben draußen erinnert, vielleicht bin ich auch einfach nur so konditioniert, dass ich spontan antworte

"einen bicmäc, mittlere pommes, mäcchicken und eine große cola, bitte .... äääääh ..... ööööhm ......."

oh wei, das war jetzt peinlich.

"wie bitte?"

"och, ... nix."

1 Comments:

  • Klasse text :-)
    Das kann man sich richtig bildlich vorstellen :-)

    By Blogger GenomInc, at 9:10 PM  

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